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Parkinson-Therapie: Studien zu α-Synuclein-bindenden Antikörpern enttäuschten

Bei Morbus Parkinson kommt es zu alpha-Synuclein-Ablagerungen im Gehirn. Deshalb hoffte man, durch das Unterbinden solcher Proteinaggregationen auch die Krankheitsprogression eindämmen zu können. Zwei Antikörper mit diesem Wirkprinzip enttäuschten nun in Studien.

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Was bei M. Parkinson dazu führt, dass Nervenzellen in der Substantia nigra absterben, ist bislang ungeklärt. Bisher wurde vermutet, dass α-Synuclein-Ablagerungen den degenerativen Prozess verursachen können, da die für die Krankheit typischen Lewy-Körperchen, runde Einschlüsse im Zytoplasma von Nervenzellen, aus α-Synuclein bestehen. Daher war die Hoffnung gross, mit α-Synuclein-bindenden Antikörpern eine ursächliche Therapie gegen die Parkinson-Krankheit in der Hand zu haben.

Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht. Zwei randomisierte placebokontrollierte Phase-2-Studien ergaben, dass zwei verschiedene α-Synuclein-bindende Antikörper, Cinpanemab und Prasinezumab, bei Patienten in frühen Parkinsonstadien keine nennenswerten Effekte hatten, weder auf die klinische Progression der Erkrankung noch auf Veränderungen in der zerebralen Bildgebung.

Studie 1: Cinpanemab
In der ersten Studie [1] wurde Cinpanemab plazebokontrolliert im 2:1:2:2-Design gegeben. Verglichen wurde der Effekt des Medikaments in der vierwöchentlichen Gabe von 250 mg, 1.250 mg, 3.500 mg und Plazebo über 52 Wochen. Insgesamt 357 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Folgen sollte eine dosisverblindete Verlängerung über 112 Wochen. Nach der Zwischenauswertung in Woche 72 wurde die Studie jedoch wegen mangelnder Wirksamkeit der Substanz vorzeitig abgebrochen. Primärer Endpunkt der Auswertung waren Veränderungen nach 52 und 72 Wochen auf der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS).

Sekundär wurden Veränderungen mittels MDS-UPDRS-Subskalen sowie in der funktionellen Bildgebung (DaT-SPECT) untersucht. Die Veränderungen auf der MDS-UPDRS-Skala (je höher der Wert, desto schlechter der klinische Zustand) betrug nach Woche 53 10,8 in der Kontrollgruppe, 10,5 in der 250 mg-Gruppe, 11,3 in der 1.250 mg-Gruppe und 10,9 in der 3.500 mg-Gruppe. Die Ergebnisse waren damit nicht signifikant unterschiedlich. Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Häufige Nebenwirkungen unter Cinpanemab waren Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Stürze.

Studie 2: Prasinezumab
Ebenso enttäuschend fielen die Ergebnisse der Studie mit Prasinezumab [2] aus, die im 1:1:1-Design durchgeführt worden war. 316 Patienten erhielten entweder ein intravenöses Plazebo oder i.V.-Prasinezumab in den Dosierungen 1.500 mg oder 4.500 mg. Auch hier wurden als primärer Endpunkt Veränderungen im MDS-UPDRS erhoben und im sekundären Endpunkt wurde der dopaminerge Neuronenverlust mittels der Dopamin-Transporter-Hirnszintigraphie (DaT-SPECT) beurteilt. Die Veränderungen auf der MDS-UPDRS betrugen nach 52 Wochen 9,4±1,2 in der Plazebogruppe, 7,4±1,2 in der niedrig dosierten Verumgruppe (1.500 mg) und 8,8±1,2 in der hochdosierten Verumgruppe (4.500 mg) und waren damit nicht signifikant. Auch gab es keine substanziellen Unterschiede in der Bildgebung.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeichnete sich aber ab: Die Studie war in drei Phasen unterteilt (Phase 1: Woche 0-52, Phase 2: Woche 56-104 und Phase 3: eine fortlaufende 5-Jahres-Fortführung) und wie der Autor des begleitenden Editorials im NEJM hervorhebt, sei ein Hinweis in Phase 3 darauf gefunden worden, dass die Gabe von niedrigdosiertem Prasinezumab die Progression des sekundären Endpunkts verlangsamen könnte, – und er motiviert die Forschungsgemeinde mit einem Churchill-Zitat, die Studienarbeiten zu diesem Therapieansatz weiterzuführen: «Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum anderen zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren.»

Biomarker statt pathogenetischer Treiber?
«Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es sich bei α-Synuclein lediglich um einen Biomarker der Erkrankung, nicht aber um ihren pathogenetischen Treiber handelt – und somit eine zielgerichtete Therapie gegen α-Synuclein ins Leere läuft», gibt Prof. Dr. Lars Timmermann, Marburg, stellv. Präsident der DGN, zu bedenken.

Ähnliches habe man auch beim Morbus Alzheimer gesehen, als die Studien mit einem Antikörper, der Beta-Amyloid im Gehirn, das vermeintliche krankheitsverursachende Agens, abbaut, keinen Effekt zeigen konnten. Während man dort noch spekuliert habe, dass die Substanz in den Studien zu spät eingesetzt worden war, hat man in den beiden vorliegenden Studien die α-Synuclein-bindende Antikörper ausschliesslich an Patienten in frühen Parkinson-Erkrankungsstadien erprobt. «Die nun vorliegenden Daten sind deswegen relativ ernüchternd: bei einer Ursache-Wirkungskette zwischen α-Synuclein und Parkinson-Progression hätten die Ergebnisse zumindest im Trend positiv ausfallen müssen», erklärt der Marburger Parkinsonexperte.

Ganz pessimistisch beurteilt Timmermann die Lage dennoch nicht: «Derzeit wird auch an «small molecules» und RNA-basierten Therapieansätzen geforscht, um die vermeintlich pathogenen Proteinaggregationen zu unterbinden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Substanzen möglicherweise mehr Wirkung zeigen.» Hinzu komme, dass man zwar von „der“ Parkinson-Krankheit spricht, sich dahinter aber viele verschieden Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Verläufen verbergen.

Ein Ziel müsse es daher sein, die Subtypen besser zu klassifizieren und Therapieoptionen an den einzelnen Erkrankungstypen zu testen. «Eine Studie zu einem für einen Tumortyp wirksamen Krebsmedikament würde wahrscheinlich auch negativ ausfallen, wenn Krebspatienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen eingeschlossen würden. Die Forschung an einer ursächlichen Parkinson-Therapie sollte also forciert weiterbetrieben werden.»PS

Originalpublikationen

  1. Lang AE et al.: Trial of Cinpanemab in Early Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2022 Aug 4;387(5):408-420. doi: 10.1056/NEJMoa2203395. PMID: 35921450.
  2. Pagano G et al.: Trial of Prasinezumab in Early-Stage Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2022 Aug 4;387(5):421-432. doi: 10.1056/NEJMoa2202867. PMID: 35921451.

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