Gynäkologische Krebserkrankungen umfassen Neoplasien, die in den Fortpflanzungs- oder Geschlechtsorganen von Frauen auftreten, vorwiegend Korpus- (CC), Endometrium- (EC) und Ovarialkarzinom (OC). Sie stellen ein weltweites Problem der öffentlichen Gesundheit dar, und laut «Global Cancer Incidence, Mortality, and Prevalence (GLOBOCAN)» gab es im Jahr 2020 weltweit 1'398’601 diagnostizierte Fälle von gynäkologischem Krebs und 671’875 damit verbundene Todesfälle.
Interessanterweise haben Menschen mit psychischen Erkrankungen, mit oder ohne Verwendung von Anti-Psychotika (Anti-Psychotic Drugs, APDs) bzw. Neuroleptika, ein geringeres Risiko, an Krebs zu erkranken. Derzeit gibt es einige Hypothesen, die die geringere Krebshäufigkeit erklären könnten. Erstens könnten genetische Faktoren bei psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie eine schützende Rolle spielen, da man bei der Krankheit eine hohe p53-Expression als Ursache vermutet. Das p53-Gen aber ist ein Tumorsuppressor und könnte die Häufigkeit von Lungenkrebs und anderen Krebsarten bei Patienten mit Schizophrenie senken. Zweitens ist die langfristige Einnahme von Neuroleptika mit einer geringeren Lebenserwartung der Anwender im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung verbunden. Da Krebs im Alter häufiger auftritt, könnte dies eine künstliche Verringerung der Krebsinzidenz bei psychiatrischen Patienten widerspiegeln.
Antipsychotika werden häufig bei Schizophrenie, bipolaren Störungen, schweren Depressionen und Persönlichkeitsstörungen eingesetzt. Eine vom britischen Gesundheitsministerium durchgeführte Studie zeigte, dass von 180’000 analysierten Rezepten rund 140’000 als unangemessen erachtet wurden, wobei sich APDs als äusserst schädlich für die Anwender erwiesen. Schätzungsweise sterben allein im Vereinigten Königreich jährlich 1’800 Menschen durch die Verwendung von Neuroleptika. In den USA wiesen 75’000 Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren aus den Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS) bei allen APDs ausser Quetiapin eine erhöhte Sterblichkeit auf. Nachdem die FDA 2005 ein um 60–70 % erhöhtes Sterberisiko bei Verwendung von APDs bei Demenzpatienten festgestellt hatte, verlangte sie, dass diesen Medikamente Warnhinweise hinzugefügt werde.
Die Autoren der hier referierten Studie haben eine systematische Überprüfung und Metaanalyse durchgeführt, um zu beurteilen, ob die Einnahme von Antipsychotika mit dem Risiko für die Entwicklung von gynäkologischen Krebserkrankungen verbunden ist. Dafür durchsuchten sie verschiedene Datenbanken nach Studien, die den Zusammenhang zwischen dem Risiko für gynäkologische Krebserkrankungen und der Einnahme von Antipsychotika beschreiben.
Ergebnisse
50’402 Patienten wurden schliesslich eingeschlossen, von denen 778 (1,54 %) mindestens ein Jahr lang Antipsychotika einnahmen: 1’086 (2,15 %) mit Ovarialkarzinom und 49’316 (97,85 %) mit Uteruskarzinom. Die Einnahme von Antipsychotika, Hypertonie, Nulliparität und Multiparität waren mit signifikant unterschiedlichen Häufungen zwischen den Gruppen mit Krebs und den krebsfreien Patienten verbunden.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser systematischen Überprüfung und Metaanalyse liefern solide Beweise dafür, dass die Verwendung von Antipsychotika mit einem erhöhten Risiko für gynäkologische Krebserkrankungen, insbesondere Endometrium- und Ovarialkrebs, verbunden ist. Diese Ergebnisse stützen die Warnung, dass Antipsychotika mit Vorsicht verschrieben werden sollten. Man vermutet, dass das erhöhte Krebsrisiko u.a. mit der Hyperprolaktinämie zusammenhängt, die unter einer Neuroleptika-Behandlung häufig zu beobachten ist. Allerdings müssen weitere Studien zur Analyse des Zusammenhangs von APDs mit gynäkologischen Krebserkrankungen mit längeren Nachbeobachtungszeiträumen und medikamentenstratifizierter Analyse unter Angabe von Dosis oder Dauer diesen potenziellen Risikozusammenhang und seinen biologischen Mechanismus genau bewerten und klären.
Quelle
de Moraes, F.C.A., Sudo, R.Y.U., Souza, M.E.C. et al. The incidence risk of gynecological cancer by antipsychotic use: a meta-analysis of 50,402 patients. BMC Cancer 24, 712 (2024). https://doi.org/10.1186/s12885-024-12481-6