Bei einer Vielzahl von Erkrankungen wie etwa Nierenversagen oder schweren Infektionen werden Verfahren zur Blutreinigung eingesetzt. Die bekannteste Form der Blutreinigung ist die Hämodialyse bei Nierenversagen. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene therapeutische Apheresen, die dafür sorgen, dass Krankheitserreger oder auch schädliche Stoffwechselprodukte aus dem Blut entfernt werden. Bei diesen meist mehrstündigen Verfahren wird das Blut durch eine Maschine geleitet, um Krankheitserreger oder schädliche Stoffwechselprodukte mit Hilfe sogenannter Adsorber-Systeme zu entfernen. Die gesunden Anteile erhalten die Patienten anschliessend als Infusion zurück.
CytoSorb® soll Zytokinsturm verhindern
Aber auch bei lebensgefährlichen überschiessenden Immunreaktionen durch Sepsis oder COVID-19 wendet die Intensivmedizin Blutreinigungsverfahren an, die entzündungsfördernde Zytokine aus dem Blut entfernen sollen. Diese Proteine steuern eigentlich die Abwehr von Krankheitserregern. Unkontrolliert freigesetzt, lösen sie jedoch eine lebensgefährliche Überreaktion des Immunsystems aus. Um das zu verhindern, setzen viele Kliniken auf das Adsorber-System CytoSorb®. Zusätzlich zur Hämodialyse oder auch alleine eingesetzt soll die Kartusche die problematischen Botenstoffe abfangen und dafür sorgen, dass Betroffene den gefürchteten Zytokinsturm überleben.
Systematischer Review mit Metaanalyse
Jetzt haben Forscher der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die Wirksamkeit des Adsorbers erstmals genauer untersucht. Sie analysierten Daten aus 34 Studien, in denen etwa 1300 mit CytoSorb® behandelte Patienten mit rund 1300 Kontrollpersonen verglichen wurden.
- Das Resultat: «Wir konnten keine messbare Verringerung der Sterblichkeit durch die CytoSorb®-Behandlung feststellen», sagt Professor Dr. Bernhard Schmidt, Oberarzt an der Klinik.
Die Verwendung kann sogar negative Folgen haben. Denn der Adsorber entfernt nicht nur die entzündungsfördernden Zytokine, sondern auch andere Bestandteile des Blutplasmas wie entzündungshemmende Gewebshormone, Gerinnungsfaktoren und Antibiotika. «Daher können wir den Einsatz von CytoSorb® in der Intensivmedizin nicht empfehlen», stellt der Nephrologe fest.
Viele Studien, aber ...
Die Anzahl der Studien zur Anwendung von CytoSorb® ist beträchtlich. 410 Treffer ergab die Suche der MHH-Forscher in der medizinischen Datenbank PubMed, etwa 800 waren es in der CytoSorb®-eigenen Datenbank. Doch längst nicht alle Studien waren überhaupt dafür geeignet, in die Meta-Studie einbezogen zu werden. «Die meisten waren hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Qualität völlig ungenügend, hatten zu kleine Kohorten, haben die Daten derselben Patienten mehrfach verwendet und völlig verschiedene Krankheitsverläufe miteinander verglichen», erklärt Professor Schmidt. 34 Studien blieben schliesslich übrig, die der Nephrologe und sein Team überprüften. Von diesen waren lediglich zwölf randomisiert.
... geeignete Studien fehlen
Gleichwohl schliesse die Meta-Studie nicht aus, dass CytoSorb® unter bestimmten Umständen nicht doch einen positiven Effekt haben könnte, betont Professor Schmidt. «Bei bestimmten Erkrankten in der sehr frühen Phase einer Sepsis könnte der Adsorber möglicherweise helfen», sagt er. «Aber das sind Einzelfallentscheidungen.» Um die Wirksamkeit eindeutig nachzuweisen, fehlten randomisierte, kontrollierte Studien an geeigneten Patienten in vergleichbaren Krankheitszuständen. Dafür müsse jedoch Vorarbeit geleistet werden, um Patienten zu finden, die vermutlich auf die Behandlung ansprechen und um für jede Erkrankung den optimalen Zeitpunkt für die Therapie zu bestimmen.
Immerhin ist die Meta-Studie jetzt Teil der CytoSorb®-Datenbank. Ob sich der Einsatz des Adsorbers in Kliniken aufgrund seiner Veröffentlichung verringern wird, darüber möchte der Nephrologe nicht spekulieren. An der MHH werde die Kartusche jedoch schon seit geraumer Zeit weniger häufig eingesetzt.PS