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Wirkmechanismus des Hepatitis B- und D-Virus-Zelleintrittsinhibitors Bulevirtid entschlüsselt

Das Hepatitis D-Virus (HDV) nutzt die Oberflächenproteine des Hepatitis B-Virus (HBV) als Vehikel, um spezifisch über das Gallensalz-Transporterprotein NTCP in die Zellen zu gelangen. Dieser Zelleintritt kann durch den Wirkstoff Bulevirtid verhindert werden. Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, die molekulare Struktur von Bulevirtid im Komplex mit dem HBV/HDV-Rezeptor NTCP auf molekularer Ebene zu entschlüsseln.

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Der Eintrittsinhibitor Bulevirtid ist das erste und derzeit einzige zugelassene Medikament zur Behandlung chronischer Infektionen mit dem Hepatitis D-Virus. Der Wirkstoff hemmt effektiv die Vermehrung von Hepatitis D-Viren und führt zu einer deutlichen Verbesserung der Leberfunktion. Der genaue Mechanismus, mit dem Bulevirtid mit dem Eintrittsrezeptor der Viren auf der Oberfläche der Leberzellen – dem Gallensalz-Transporterprotein NTCP (kurz für: Natriumtaurocholat-kotransportierende Polypeptid) – interagiert und dadurch den Eintritt der Viren in die Zellen inhibiert, war bisher allerdings noch unbekannt.
Um die molekulare Interaktion von Bulevirtid und NTCP auf molekularer Ebene zu verstehen, generierten die Forscher zunächst ein Antikörperfragment, welches spezifisch den NTCP-Bulevirtid-Komplex erkennt und diesen an Nanopartikel gebunden einer Analyse zugänglich macht. Anschliessend wurde dieser Komplex mittels Cryo-Elektronenmikroskopie untersucht, wodurch strukturelle Details mit atomarer Auflösung sichtbar gemacht werden konnten. Die Forschungsergebnisse stellen einen Meilenstein dar im Verständnis sowohl der Interaktion von HBV und HDV mit ihrem zellulären Eintrittsrezeptor NTCP als auch des Mechanismus der Zellrezeptorblockade durch Bulevirtid.

Wie Bulevirtid den Zelleintrittsrezeptor NTCP blockiert
Die Analyse zeigte, dass Bulevirtid in der Interaktion mit dem HBV/HDV-Rezeptor NTCP drei funktionelle Domänen bildet:
  • eine Myristoylgruppe, die auf der Zell-Aussenseite mit der Zellmembran interagiert;
  • eine essenzielle Kernsequenz («plug»), die sich exakt in den Gallensalztransporttunnel des NTCP wie der Bart eines Schlüssels in ein Schloss einfügt;
  • und eine Aminosäurekette, die sich über die extrazelluläre Oberfläche des Rezeptors erstreckt und diesen wie eine Klammer umschliesst (siehe Abbildung).

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Schematische Darstellung der molekularen Blockade des Rezeptormoleküls NTCP durch Bulevirtide (BLV). Die Abbildung wurde mit BioRender.com erstellt. © DZIF/Universität Heidelberg

«Die Ausbildung eines ‚plugs‘ im Transporttunnel und die damit verbundene Inaktivierung des Gallensalztransporters ist bislang einzigartig unter allen bekannten Virus-Rezeptor-Komplexen. Diese Struktur erklärt, warum die physiologische Funktion des NTCP bei der Behandlung von Patienten mit Bulevirtid gehemmt wird», sagt Prof. Stephan Urban, DZIF-Professor für «Translationale Virologie» und stellvertretender Koordinator des DZIF-Forschungsbereichs Hepatitis, in dessen Labor am Universitätsklinikum Heidelberg der Wirkstoff Bulevirtid entwickelt wurde.

«Mit den strukturellen Details der Interaktion mit Bulevirtid haben wir auch Erkenntnisse gewonnen, welche die Entwicklung kleinerer Wirkstoffe – sogenannter Peptidomimetika – mit verbesserten pharmakologischen Eigenschaften ermöglichen. Unsere Strukturanalyse legt zudem einen Grundstein für die Entwicklung von Medikamenten, die nicht nur auf Peptiden basieren und möglicherweise eine orale Verabreichung ermöglichen», fügt der Mitautor der Studie, Prof. Joachim Geyer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Justus-Liebig-Universität Giessen, hinzu.

Evolutionäre Anpassung von Hepatitis B-Viren an Wirtsspezies
Die Strukturanalyse entschlüsselte auch einen wichtigen Faktor der Speziesspezifität der Hepatitis B- und D-Viren. Demnach spielt die Aminosäure an Position 158 der NTCP-Peptidkette eine essenzielle Rolle in der Virus-Rezeptor-Interaktion. Eine Änderung der Aminosäure an dieser Position verhindert die Bindung von HBV/HDV. Dies erklärt, warum bestimmte Altwelt-Primaten, wie zum Beispiel Makaken, von HBV/HDV nicht infiziert werden können.

«Unsere Erkenntnisse ermöglichen ein tieferes Verständnis der evolutionären Anpassung von menschlichen und tierischen Hepatitis B-Viren an ihre Wirte und liefern darüber hinaus wichtige molekulare Grundlagen für die Entwicklung neuer und zielgerichteter Medikamente», ergänzt Mitautor Prof. Dieter Glebe, DZIF-Wissenschaftler am Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen.

«Unsere Untersuchungsergebnisse sind ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Hepatitis D und B. Durch das Verständnis der Struktur von Bulevirtid und seiner Bindung an NTCP können wir potenziell gezieltere und effektivere Behandlungen für Millionen chronisch HBV/HDV-Infizierter entwickeln», fasst Prof. Kaspar Locher, Letztautor der Publikation und Leiter des Strukturbiologenteams an der ETH Zürich, die Forschungsresultate zusammen.PS


Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZFI), Pressemitteilung vom 08.04.2024

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