Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. In der Mehrzahl erfolgt die Diagnose in einem frühen Stadium, so dass die Heilungsaussichten sehr gut sind. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei ca. 89%; die 10-Jahres-Überlebensrate bei 88%. Vor dem 50. Lebensjahr ist die Erkrankung selten, danach steigt das Risiko zunehmend an.
Wenn ein lokal begrenztes Prostatakarzinom diagnostiziert wird, sind unter Berücksichtigung der individuellen Gesamtsituation verschiedene Vorgehensweisen möglich. Dabei gelten die Strahlentherapie und die Prostatektomie als gleichwertig bezüglich des Langzeitüberlebens bzw. der Heilungsaussichten. Eine weitere Option ist die aktive Überwachung (Active Surveillance), d.h. es wird zunächst abgewartet und in engmaschigen Kontrolluntersuchungen nach Hinweisen auf eine Tumorprogression gesucht (Tastuntersuchung, PSA-Anstieg, Bildgebung, Kontrollbiopsien). In diesem Fall oder sobald der Patient es wünscht, wird eine Therapie begonnen (mit kurativer Zielsetzung). Darüber hinaus kann eine Anti-Hormonbehandlung bzw. Hormonentzugstherapie (Androgen-Deprivationstherapie, ADT) erfolgen, um das Wachstum von Krebszellen zu hemmen.
Studie ProtecT
Die Studie ProtecT (Prostate Testing for Cancer and Treatment Trial) evaluierte die verschiedenen Therapieoptionen bei Patienten mit durch einen PSA-Test entdeckten, lokal begrenzten Prostatakrebs (1). Von 1999-2009 erhielten 82 429 Männer an neun Zentren aus UK einen PSA-Test (Alter zum Zeitpunkt des Tests 50-69 Jahre), bei 2664 wurde die Diagnose eines örtlich begrenzten Prostatakarzinoms gestellt. 1643 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen und in drei gleichgrosse Gruppen randomisiert (545 Patienten wurden der aktiven Überwachung, 553 der Prostatektomie und 545 der Strahlentherapie zugeführt).
Primärer Endpunkt war der Tod durch Prostatakrebs; sekundäre Endpunkte umfassten die Gesamtmortalität, Metastasierung/Krankheitsprogression und Beginn einer langfristigen ADT (diese war ab einem PSA von 20 ng/ml in allen Gruppen möglich).
1610 Patienten (98%) schlossen die Nachbeobachtungszeit ab, sie lag median bei 15 (11-21) Jahren. Die Gesamtmortalität betrug während des Follow-ups 21,7% (356 Patienten); 45 Männer (2,7%) verstarben an dem Prostatakarzinom, davon 17 (3,1%) in der Überwachungsgruppe, 12 (2,2%) in der OP-Gruppe und 16 (2,9%) und in der Strahlentherapie-Gruppe. Im Gesamtvergleich waren die Unterschiede statistisch nicht signifikant (p=0,53). Bei aktiver Überwachung lebten am Ende des Follow-ups 133/545 Männer, also ein Viertel aus der Gruppe (24,4 %) ohne Behandlung des Prostatakarzinoms, d.h. sie wurden während des Follow-ups überhaupt keiner Therapie zugeführt. Die Gruppenzuteilung, der PSA-Ausgangswert, Tumorstadium, Malignitätsgrad bzw. Risikostratifizierung hatten keinen Ein-fluss auf den primären Endpunkt.
Eine lokale Progression wiesen 259 Männer auf (15,8%); in der Überwachungsgruppe 141/545 (25,9%), in der OP-Gruppe 58/553 (10,5%) und in der Strahlentherapie-Gruppe 60/545 (11%). Zu Metastasen kam es in der Überwachungsgruppe bei 51 Patienten (9,4%), in der OP-Gruppe bei 26 (4,7%) und in der Bestrahlungsgruppe bei 27 (5%). Bei 104 Männern (6,3%) kam es zu Metastasen: 51 (9,4%) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, 26 (4,7%) in der Prostatektomie-Gruppe und 27 (5,0%) in der Strahlentherapie-Gruppe. In der Überwachungsgruppe erhielten 69 (12,7%), in der OP-Gruppe 40 (7,2%) und in der Strahlentherapie-Gruppe 42 (7,7%) Patienten eine ADT.
Längeres progressionsfreies Überleben - bessere Lebensquaälität
«Die Studie zeigte, dass die aktive Therapie, sei es Strahlentherapie oder Operation, zwar nicht zu einem längeren Leben, aber zu einer längeren progressionsfreien Überlebenszeit geführt haben, was mit einer deutlich besseren Lebensqualität einhergeht. Besonders spannend ist für uns, dass sich auch nach 15 Jahren beim lokal begrenztem Prostatakarzinom kein Unterschied zwischen Strahlentherapie und OP hinsichtlich Metastasierung und Überleben gezeigt hat, beide Therapieverfahren waren in der Langzeitbeobachtung gleichwertig», kommentiert Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO).
«Die Strahlentherapie bringt diesen Vorteil allerdings ohne ‚hohe Kosten‘ – sie ist deutlich nebenwirkungsärmer als die Operation.» Die Vorteile der Strahlentherapie seien, dass Narkose- und OP-Risiken entfallen, ausserdem seltener Harninkontinenz und Potenzstörungen als Langzeitfolgen der Therapie auftreten (2), welche die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
«Nach der aktuellen Datenlage ist die Radiotherapie somit das beste Verfahren bei lokal begrenztem Prostatakrebs. Sie bietet mehr Sicherheit vor einem Rückfall als die alleinige aktive Überwachung und ist im Hinblick auf die Rückfallrate und das Gesamt- sowie progressionsfreie Überleben absolut vergleichbar mit der Operation – geht aber mit deutlich weniger Nebenwirkungen bzw. Langzeitfolgen einher», kommentiert Prof. Cordula Petersen, Hamburg, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. «Es ist wichtig, dass Patienten in dieser Situation von den behandelnden Urologen über diese Therapievorteile informiert werden.»PS