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imageWenn die Studierenden diese Rasterelektronenmikroskop-​Aufnahme eines Osteoklasten mit der App «AR Osteoclasts» scannen, landen sie auf einem 3D-​Modell des Knochens, wo sie verschiedene Aufgaben lösen müssen. (Bild:eye science; ETH Zürich)

Ein Lehrbuch wird lebendig: Augmented Reality für Zahnmediziner

Game Developer des ETH Game Technology Centers haben eine App programmiert, die Zahnmedizinern die Prozesse des Knochenumbaus spielerisch vermittelt. Die Handykamera auf das Lehrbuch gerichtet, finden sich die Lernenden auf der Knochenoberfläche wieder, wo sie Zellen beim Knochenabbau helfen.

ETH Zürich7.8.20222"
Lehrbücher sind nützlich und enthalten viel wertvolles Wissen. Aufgrund ihrer Informationsdichte sind sie jedoch oft schwer zugänglich und wirken abschreckend. Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, Ihr Lehrbuch würde Sie in eine Interaktion verwickeln, in der Sie den Inhalt spielerisch lernen? Genau so funktioniert die App «AR Osteoclasts», die Spielentwickler Jascha Grübel vom Game Technology Center der ETH in Zusammenarbeit mit Bernd Stadlinger, Direktor der Klinik für Oralchirurgie am Zentrum für Zahnmedizin in Zürich, programmiert hat, um angehenden Zahnärzte die Prozesse des Knochenumbaus näherzubringen.

Richten die Studierenden die Kamera ihres Tablets oder Smartphones auf ein bestimmtes Bild im Buch «Kommunikation der Zellen», landen sie auf der Knochenoberfläche neben einem Blutgefäss. In diesem 600-​fach vergrösserten Mikrokosmos steuern die Spieler biologische und biochemische Prozesse, die ansonsten automatisch ablaufen. Jedes der sechs Spiel-​Kapitel wird von einer Stimme eingeführt, die den Studierenden die Hintergründe des Knochenabbaus sowie die Rolle, die sie als Spieler einnehmen erläutert (vgl. Video).

So funktioniert die App «AR Osteoclasts» (Video: Game Technology Center ETH)
Von uns unbemerkt werden jedes Jahr 10 Prozent unseres Skeletts umgebaut. Dabei sind sogenannte Osteoklasten-​Zellen für den Abbau des Knochens und Osteoblasten für die Herstellung von neuem Knochenmaterial zuständig. Dieses Wissen ist für Zahnärzte besonders zentral, da Osteoklasten eine wichtige Rolle beim Zahnwechsel, aber auch bei der Integration von Zahnimplantaten in die natürliche Knochenstruktur spielen. Auch verteidigen sie die Kieferknochen gegen bakterielle Infektionen und unterstützen die Heilung von Wunden, wenn ein Zahn gezogen werden muss.

Vom Mindmap zum Spiel – mit Hilfe von Mathematik
Hauptentwickler Grübel musste sich zuerst in die Thematik einarbeiten: «Ich habe Lehrfilme angeschaut und alle beteiligten Zellen, deren Aufgaben, Handlungen und Interaktionen in einem Mindmap zusammengefasst.» Weil die Prozesse im Körper automatisch ablaufen, musste er entscheiden, welche Elemente davon im Spiel vom Menschen übernommen werden. «Wenn der Spieler beispielweise auf den Bildschirm tappt, sendet der Osteoklast Botenstoffe aus, um Stammzellen anzulocken, welche sich zu Osteoblasten entwickeln, die den Knochen wieder flicken», erklärt Grübel. Manchmal erhalten die Spieler auch symbolische Hilfen: In Kapitel drei steuern sie zwei Zapfhähne – einer für Salzsäure und einer für Enzyme –, wobei sie mit der richtigen Menge der zwei Substanzen den Knochen auflösen können.

Im Dreieck zwischen Spiel, Wissenschaft und Bildung
Die Balance zwischen Spiel, Wissenschaft und Bildung zu finden, beschreibt Fabio Zünd, Geschäftsführer des GTCs, als besondere Herausforderung: «Ein Spiel muss Spass machen und motivieren. Dazu müssen wir die biologischen Prozesse vereinfachen, ohne sie dabei zu verfälschen.» Dies verlangte einen intensiven Austausch der Spielentwickler mit den Zahnmedizinern, Forschern und Verlagsmitarbeitern.

Spielen oder doch lieber lesen?
Inwiefern die Studierenden dank der App motivierter sind oder gar besser lernen, wird derzeit in einer begleitenden Studie erhoben. Beide Informatiker sehen jedoch in Spielen grosses pädagogisches Potenzial. «Man kann mit Spielen viel vermitteln, doch es ist schwierig zu wissen, was man am besten vermittelt. Da brauchen wir noch mehr Resultate aus den Lernwissenschaften», sagt Grübel.

«Einen Buchinhalt interaktiv umzusetzen ist etwas Neues», meint er. Seine Spiellust darf der Entwickler aber doch noch ausleben: Gemeinsam mit Bernd Stadlinger, der das Buch «Kommunikation der Zellen» herausgegeben hat, geht das Projekt in eine zweite Runde. «Wir möchten das Spiel in Virtual Reality umsetzen, wo wir mehr Interaktionsmöglichkeiten haben und erforschen können, wie der Mensch mit dem Computer interagiert», sagt Zünd.PS

  • App «AR Osteoclasts» bei Google Play
  • App «AR Osteoclasts» im App Store

Literaturhinweis
Gruber R, Stadlinger B, Terheyden H. Kommunikation der Zellen: Zellatlas – Visualisierte Biologie in der Oralen Medizin. Berlin: Quintessence Publishing, 2022.

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