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Erstbeschreibung eines seltenen genetischen Syndroms mit lebensbedrohlichem Aldosteronmangel

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Berner Forschern hat in Zusammenarbeit mit einem Team aus Frankreich im Erbgut einer jungen Patientin einen bisher unbekannten genetischen Defekt nachgewiesen. Dieser führt zu Fehlbildungen der Nebennierenrinde und damit zu einer Unterproduktion des Hormons Aldosteron mit lebensgefährlichem Salzverlust.

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Die Nebenniere besteht aus zwei Teilen: dem Mark und der Rinde. In der äussersten Zone der Rinde, der Zona glomerulosa, wird das Hormon Aldosteron gebildet. Dieses spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Wasser- und Salzhaushalts.

Aldosteronmangel führt zu Salzverlustsyndrom
Ein Hypoaldosteronismus kann genetisch bedingt sein oder später erworben werden. Die genetisch bedingte Form ist sehr selten, tritt aber familiär gehäuft auf. In der Regel macht sich die Erkrankung bereits bei Neugeborenen durch das sogenannte Salzverlustsyndrom erkennbar: Aufgrund des Aldosteronmangels scheidet der Körper zu viel Natrium und Wasser über den Urin aus. Unbehandelt führt dies zu heftigem Erbrechen, Austrocknung, Gedeihstörungen und im schlimmsten Fall zum Tod.

Eine bekannte Ursache für Hypoaldosteronismus ist eine Mutation des CYP11B2-Gens. Das Gen ist verantwortlich für die Bildung der Aldosteronsynthase. Die Genmutation hat zur Folge, dass dieser Vorgang gestört wird. Allerdings gibt es auch andere Formen von genetisch bedingtem Aldosteronmangel, bei welchen das CYP11B2-Gen intakt ist. Die Ursachen für die Entstehung dieser Formen waren bis dato unklar.

Bislang unbekannte Genmutation ist schuld
Nun ist es einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung des Inselspitals, Universitätsspital Bern, und der Universität Bern gelungen, die Mechanismen einer dieser höchstseltenen Erkrankung aufzuklären. Das Team konnte bei einer Patientin mit Salzverlustsyndrom eine bislang unbekannte Mutation im LGR4-Gen nachweisen. Die junge Frau hatte das defekte Gen von beiden Eltern geerbt. Durch die Mutation wurde ein Syndrom verursacht, das mit Salzverlust, Gehörlosigkeit, Kleinwuchs, Nagelveränderungen, Nieren- und Gehirnfehlbildungen einhergeht. Bei zwei weiteren Familienangehörigen wurde das gleiche Syndrom gefunden; ausserdem verlor die Mutter der Patientin mehrere Kinder vor oder unmittelbar nach der Geburt.

In Zellmodellen konnten die Forscher zeigen, dass durch den Gendefekt ein wichtiger Prozess in der Zelle - der Wnt/beta-Catenin-Signalweg - gestört wird. Dieser spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Erneuerung der Zona glomerulosa, der Produktionsstätte von Aldosteron.

Mit Hilfe von Mausmodellen gelang dem Team der Nachweis, dass der defekte Signalweg tatsächlich die Ursache für die Erkrankung war. Genetisch veränderte Mäusen, bei denen das LGR4-Gen in der Nebennierenrinde abgeschaltet wurde, wiesen nicht nur eine gestörte Aktivität des Wnt/beta-Catenin-Signalwegs auf. Auch die Struktur und Funktion der Zona glomerulosa war stark beschädigt und die Produktion von Aldosteron dementsprechend tief.

Weitere Mutanten am Wnt/beta-Catenin-Signalweg zu erwarten
Mit diesen Erkenntnissen leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Grundlagenverständnis der Nebennierenentwicklung. «Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie, die ein defektes LGR4-Gen beim Menschen mit einer Störung des Wnt/beta-Catenin-Signalwegs und Schädigung der Nebennierenrinde mit Salzverlustsyndrom in Verbindung gebracht hat», berichtet die Studienleiterin Prof. Dr. med. Christa Flück, Leitende Ärztin am Inselspital. Gemäss der Medizinerin ist das defekte LGR4-Gen kein Einzelfall. «Ich erwarte, dass wir noch mehr Mutationen im Wnt/beta-Catenin-Signalweg als Ursache für bislang ungeklärte Erkrankungen mit Aldosteronmangel entdecken werden», so Flück.PS

  • Zur Originalpublikation
Lucas C et al.: Loss of LGR4/GPR48 causes severe neonatal salt-wasting due to disrupted WNT signaling altering adrenal zonation. J Clin Invest. 2023;133(4):e164915.

Quelle: Insel Gruppe/Medienmitteilung, 21.02.2023

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