Das ETH-Spin-off Nanoflex hat einen magnetisch steuerbaren Katheter entwickelt, mit denen Schlaganfälle sicher und schnell behandelt werden können. Chirurgen müssen dafür nicht mehr unbedingt vor Ort sein.
ETH Zürich22.7.20223"
Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache und der zweithäufigste Grund für eine langfristige Behinderung. Lässt sich ein Blutgerinnsel im Gehirn nicht durch Medikamente entfernen, müssen Betroffene notfallmässig operiert werden. Dabei führt der Chirurg einen Katheter von einer Arterie aus am Herz vorbei bis ins Gehirn, um die Durchblutungsstörung zu beheben.
Je schneller der Eingriff erfolgt, desto höher sind die Chancen der Patienten, keine bleibenden Schäden davonzutragen. Bis anhin navigieren Chirurgen die Katheterspitze meist manuell über einen Zugdraht durch die Windungen der Blutgefässe. Der Nachteil daran: Da sich die Spitze nur in zwei Richtungen bewegen lässt, dauert der komplexe Eingriff verhältnismässig lange und erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung.
Das ETH-Spin-off Nanoflex hat nun einen neuartigen Katheter entwickelt, der mittels Fernbedienung und Computer über ein Magnetfeld gesteuert wird. «Durch einen magnetischen Kopf kann die Katheterspitze nicht nur in alle Richtungen gebogen werden, sie ist auch kleiner, einfacher zu steuern und auf Grund ihres weichen Materials sicherer», erklärt ETH-Alumnus Christophe Chautems, einer der drei Gründer.
Über ein Magnetfeld kann die Katheterspitze einfach in alle Richtungen gesteuert werden. (Bild: Stefan Weiss / ETH Zürich)
Präzise und schnell ins Gehirn
Durch die präzise Steuerung des Magnetkatheters sollen Eingriffe in Zukunft kürzer und weniger anspruchsvoll sein als mit herkömmlichen Kathetern. «Auch weniger erfahrene Chirurgen sollten mit unserem System in der Lage sein, Schlaganfälle zu behandeln», so Chautems. Da es aktuell zu wenig Katheterspezialisten an Spitälern gibt, erhoffen er und sein Team sich, dass dadurch mehr Schlaganfallpatienten schnell geholfen werden kann. Zudem sollte der weiche und besser lenkbare Katheter auch zu weniger unbeabsichtigten Verletzungen der Gefässe führen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Chirurg den magnetischen Katheter über eine Fernbedienung steuert und daher während des Eingriffs nicht neben dem Patienten stehen muss. Dies schützt vor der Strahlung des Röntgengerätes, das Ärzten erlaubt, sich im Körperinneren der Patienten zurechtzufinden.
Doch damit nicht genug: «Mit unserem System können Eingriff in Zukunft auch aus der Distanz mit einer Fernbedienung und an einem Bildschirm durchgeführt werden», sagt Silvia Viviani, die an der ETH Robotik studierte und bei Nanoflex tätig ist. Geht es nach den Forschenden des Start-ups, sollen Schlaganfallpatienten in Zukunft so schnell wie möglich im nächsten, lokalen Krankenhaus von einem Experten operiert werden können, die sich selbst nicht dort befinden muss. Dadurch kann wichtige Zeit gespart werden.
Flexibel einsetzbarer Magnetfeldgenerator
Damit Chirurgen den magnetischen Katheter nutzen können, müssen die Patienten neben einem magnetischen Navigationssystem liegen, das ein gerichtetes Magnetfeld erzeugt. Entwickelt wurde das System und die dazugehörige Software im Multi-Scale Robotics Lab von ETH-Professor Bradley Nelson, der Nanfoflex 2021 gemeinsam mit Christophe Chautems und Matt Curran gegründet hat. Das ETH-Spin-off wurde seit seiner Gründung vom Wyss Zurich Translational Center unterstützt.
Im Unterschied zu kommerziell verfügbaren Apparaten, die fix im Operationsaal installiert sind, ist der Magnetfeldgenerator von Nanoflex deutlich leichter und daher auch flexibler einsetzbar. Er kann nach Bedarf in einen Operationssaal geschoben werden und braucht zum Funktionieren lediglich Strom und Wasser.
Die Vision der Firmengründer ist, dass künftig in jedem grösseren Spital eines ihrer magnetischen Navigationssysteme steht. Bis es so weit ist, gibt es allerdings noch einiges zu tun: «Wir testen unseren Prototypen gerade auf Herz und Nieren an einem Silikonmodell des menschlichen Körpers», sagt Chautems. Das Ziel ist, in zwei Jahren die Zulassung für den amerikanischen Markt zu erlangen.
Das zwölfköpfige Team um Chautems und Curran ist zuversichtlich, dass nicht nur der Markteintritt gelingt, sondern dass die Technologie bald auch in anderen Bereichen wie beispielsweise in der Herz- und Augenchirurgie, bei Magenspiegelungen und bei Eingriffen an Föten eingesetzt werden kann.PS