Die Postoperative kognitive Dysfunktion (POCD) ist eine Form des kognitiven Verfalls, die zu einer funktionellen neurologischen Verschlechterung führt. Beeinträchtigt sein können etwa selektive Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, exekutive Funktion, verbale und sprachliche Fähigkeiten, Emotionen, visuell-räumliche und visuell-motorische Fähigkeiten. Die Prävalenzraten reichen von 36,6 Prozent bei jungen bis 42,4 Prozent bei älteren Erwachsenen. Vorausgehend sind invasive Eingriffe am Herzen, aber auch nicht-kardiale Operationen.
Alzheimer
Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist die häufigste Form der Demenz, sie macht weltweit etwa zwei Drittel aller Demenzfälle aus. Schätzungsweise 41 Millionen Demenzpatienten weltweit bleiben unerkannt, und 25 Prozent der Patienten werden erst diagnostiziert, wenn sie voll symptomatisch sind. AD ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch neuropathologische Veränderungen definiert ist, darunter Beta-Amyloid-(Aβ)-Plaques, und neurofibrilläre Bündel, die aggregierte Tau-Proteine enthalten.
Patienten mit AD sind sich ihres Zustands oft nicht bewusst. Die Demenz ist insbesondere in frühen Stadien nicht selten eine versteckte Krankheit. Selbst wenn sie vermutet wird, glauben Patienten und Familien manchmal lange, die Symptome seien Teil des normalen Alterungsprozesses. Gerade bei diesen Patienten kann eine Operation eine subklinische Demenz entlarven.
Alzheimer oder POCD?
Der komplexe Zusammenhang zwischen POCD und AD hat eine Debatte ausgelöst, nachdem zahlreiche Einzelberichte darüber vorliegen, dass ältere Erwachsene nach chirurgischen Eingriffen langfristig einen kognitiven Abbau mit klinischen Merkmalen wie bei Demenzpatienten erleben. Es ist allerdings schwierig festzustellen, inwieweit Operation und Anästhesie das Risiko erhöhen oder das Fortschreiten eines prodromalen und asymptomatischen AD-Zustands (Stadien I-II) ins klinisch evidente Stadium III AD beschleunigen können.
Definition und Diagnosekriterien
POCD ist gemäss der Klassifikation kognitiver Beeinträchtigungen im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders durch leichte neurologische Störungen gekennzeichnet, die durch routinemässige chirurgische Eingriffe verursacht werden. Die Definition von POCD umfasst einen anhaltenden kognitiven Abbau, der Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern kann. POCD kann mit postoperativem Delirium verwechselt werden, einer akuten und schwankenden Bewusstseinsstörung, die typischerweise innerhalb von 3 Tagen nach der Operation auftritt.
Vorkommen und Risiken
POCD tritt häufig bei Patienten auf, die sich einer Herz- oder orthopädischen Operation unterziehen. Bei Patienten mit aortokoronarem und kardiopulmonalen Bypass entwickeln 50–70 Prozent innerhalb einer Woche nach der Operation POCD. Darüber hinaus zeigen 10–30 Prozent 6 Monate nach dem Eingriff langfristige Auswirkungen auf die kognitive Funktion. Bei Patienten mit Hüftarthroplastik zeigen 20–50 Prozent innerhalb einer Woche nach der Operation POCD, und 10–14 Prozent leiden auch nach 3 Monaten noch daran.
POCD wird typischerweise bei Patienten über 65 Jahrenbeobachtet. Nach einer Operation entwickeln jedoch etwa 30 Prozent der jüngeren Patienten und etwa 40 Prozent der älteren Patienten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus eine POCD. Konkret leiden 12,7 Prozent der älteren Patienten 3 Monate nach der Operation noch immer an POCD, verglichen mit 5 Prozent der jüngeren.
Hüft- und Knieendoprothesen bergen ein höheres Risiko für POCD als allgemeine Operationen. Dasselbe gilt für Herzoperationen, insbesondere Aorten-Koronar-Bypass und Herz-Lungen-Bypass.
Erste Untersuchungen ergaben keine signifikanten Korrelationen zwischen den beobachteten Veränderungen und der Art der Anästhesie. Eine neuere Metaanalyse von 28 randomisierten klinischen Studien kam allerdings zu dem Schluss, dass die Inzidenz von POCD bei intravenöser Anästhesie mit Propofol geringer ist als bei Inhalationsanästhesiemit Isofluran oder Sevofluran.
Eine patientengesteuerte postoperative Analgesieerhöht das Risiko für POCD unabhängig von einer oralen postoperativen Analgesie. Metaanalysen zeigen, dass anhaltende Schmerzen zu einem Rückgang der kognitiven Fähigkeiten, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und der Informationsverarbeitung der Patienten führen können.
Vorbeugung und Therapie
Mehrere neuroprotektive Medikamente werden derzeit untersucht, aber keines hat einen konsistenten Nutzen für Prävention und Behandlung gezeigt. Dennoch ist eine sorgfältige Bewertung der POCD-Risikofaktoren und des kognitiven Status eines älteren Patienten vor der Operation wichtig ist, um Patienten, Familie und Ärzten nützliche Informationen bei der Entscheidung über geeignete Massnahmen zu liefern.
Quelle:
Paola Spriano. Was wissen wir über postoperative kognitive Dysfunktionen? – Medscape – 09. September 2024.