Swissmedic stellte fest: Oberstes Ziel des Heilmittelgesetzes ist der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, weshalb nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel (Arzneimittel und Medizinprodukte) in Verkehr gebracht werden dürfen. Was selbstverständlich klingt, war nötig zu erwähnen, nachdem Private, Medien und Behörden verbindlich wissen wollten, wie sie sich gegenüber Sarco verhalten sollten. Akezptieren oder ignorieren?
Kaum hatte Swissmedic das ungewöhnliche Produkt eingeschätzt und regulatorisch und heilmittelrechtlich offiziell festgestellt, dass die Zweckbestimmung der Suizidkapsel Sarco dem medizinischen Zweck eines Heilmittels grundlegend widerspricht und dementsprechend entschieden, dass Sarco kein Heilmittel ist, wurde die Kapsel in einem einsamen Waldstück bei Merishausen, nahe der deutschen Grenzen, in Betrieb gesetzt. Eine Amerikanerin, die keinen andern Ausweg sah, kam in der Kapsel auf eigenen Willen zu Tode.
Swissmedic stellte fest: Beim in der Kapsel eingesetzten Stickstoffgas handelt es sich nicht um ein Arzneimittel. Als Arzneimittel-Wirkstoff wird der Bestandteil eingestuft, der im Körper eines Patienten eine bestimmte pharmakologische Wirkung entfalten soll. Der Stickstoff, der in der Suizidkapsel zum Einsatz kommt, dient hingegen gemäss der vom Anbieter veröffentlichten Funktionsweise lediglich dazu, die Zusammensetzung der Luft in der geschlossenen Kapsel zu verändern: Er verdrängt den Sauerstoff, was zum Erstickungstod der sterbewilligen Person führt.
Swissmedic stellte weiter fest: Medizinprodukte werden aufgrund ihrer medizinischen Zweckbestimmung von anderen Produkten abgegrenzt, denn diese (Diagnose, Verhütung, Behandlung und Linderung von Krankheiten oder Verletzungen) ist die zentrale Voraussetzung für die Qualifikation und Einstufung als Medizinprodukt. Die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen für solche Produkte sollen gewährleisten, dass sie ein hohes Mass an Gesundheitsschutz sicherstellen und den klinischen Zustand und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten nicht gefährden. Ein Produkt, das allein zum Suizid eingesetzt wird, widerspricht der heilmittelrechtlichen medizinischen Zweckbestimmung und kann nicht als Medizinprodukt eingestuft werden.
Angesichts der ungelösten Fragestellungen, was die auf dieses neue Produkt anwendbare Gesetzgebung betrifft, erschienen Swissmedic weitere behördliche Abklärungen zur Qualifizierung und Legitimation des Produkts in rechtlicher, gesundheitspolitischer und ethischer Hinsicht ebenso angezeigt wie ein breiter gesellschaftlicher Diskurs.
So hiess es, noch bevor die Kapsel zum ersten und soweit wir wissen zumindest in der Schweiz einzigen Mal eingesetzt wurde.
Quelle
Pressemitteilung swissmedic 5.August 2024
Diverse Tageszeitungsmeldungen
Und das meinte Dr. Motz …
(am10. September und auch heute noch …)
Ein bisschen «strange» ist sie schon,
die Vorstellung (die einem bei Ansicht der Kapsel vermittelt wird), im Licht neonfarbiger Stroboskope, begleitet von selbstgewähltem Sound – je nach Alter Vico Torriani, Janis Joplin oder Rapper Stress – und gestützt oder geschoben von einer in silbern glitzerndem Nobellabel gekleideten
Sarko-Hostess in einen futuristischen Concept-Car zu steigen, nur um sich darin auf Knopfdruck (oder angemessener mittels face recognition) vergasen zu lassen.
Mag sein, es ist chic und trendy und irgendwie passend
zu unserem KI-Zeitalter, in dem ChatGPT und DaLL-E uns jeden noch so abwegigen Wunsch im geforderten Stil erfüllen. Die Todeskapsel, die ohne realen Test auskommen musste – wer wollte sie denn ausprobieren, ausser ein zum Live-Versuch überredetes Meerschweinchen, bevor sie das erste Mal eingesetzt wurde? – passt wunderbar zu einem modernen, um nicht zu sagen modischen Exit. Die Sterbewilligen wird’s weniger kümmern: am Ende ist der oder die Kapsel-«Reisende» genauso tot wie nach Einsatz einer SIG Sauer oder eines Hanfseils. Gerhard Polt, der bayrische Spötter, würde dazu allenfalls feststellen, er oder sie sei «a schönere Leich» (als sie oder er es nach dem Einsatz physikalisch wirkender Instrumente wäre). Kümmern tut’s hingegen sehr wohl die Erfinder, Promotoren und Betreiber des Thanato-Gefährts, das (noch) ohne Räder daher kommt. Was treibt sie um? Sorge um die Patienten? Unternehmerischer Ehrgeiz? Stilfragen?
Uns altmodischen Prämortalen
bleibt angesichts der Hightech-Todes- (oder sind’s Tötungs-?)fantasien wenig mehr als Zynismus. Und Sorge um den arg strapazierten Begriff der Würde. Würde gesteht man beim Gang über die Regenbogenbrücke scheint’s nur noch seinem Haustier zu. Der Tod von Waldi darf noch nach Abschied ausschauen, bei Kerzenlicht zuhause. Der Abgang moderner Kranker und Lebensmüder ist dagegen – so scheint’s – in erster Linie Inszenierung. Selbstinszenierung der Anbieter, auf Kosten der «User».
Aber vielleicht tun wir den Verantwortlichen ja Unrecht.
Und ebenso den Patienten, den Leidenden. Wenn’s nicht möglich ist, in der guten Stube oder auf einer Lichtung im Wald, im Kreise von Freunden die letzte Zigarette zu rauchen, den letzten Schluck zu nehmen oder den letzten liebevollen Kuss zu empfangen, bevor man wegdämmert, dann vielleicht halt lieber in gewohnter Umgebung: unpersönlich, allein, abgeschottet, schnell, seelenlos, aber technisch perfekt. Wenn dem so ist, dann muss man dem Kommentator zustimmen, der wiederholte, was andere schon x-mal sagten: Die Welt spinnt. Und zwar bis zum letzten Atemzug.
Und wir spinnen mit ihr.