Schwere Krankheitsverläufe einer COVID-19-Infektion beeinträchtigen nicht nur die Lungenfunktion, sondern können auch lebensbedrohliche Folgen für das Herz hervorrufen. Das Spektrum reicht von einer akuten Herzmuskelentzündung (Myokarditis) bis zu einer chronischen Einschränkung der Pumpfunktion des Herzens. Die grundlegenden Schädigungsmuster konnten bis zum heutigen Tag nicht gänzlich nachgewiesen werden.
Hochauflösendes Mikroskopieverfahren
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um Professor Dr. Danny Jonigk, Christopher Werlein und Privatdozent (PD) Dr. Mark Kühnel vom Institut für Pathologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt mit Hilfe innovativer molekularer Verfahren und eines hochauflösenden Mikroskopieverfahrens gezeigt, wie die andauernde Entzündung bei COVID-19 das Herzgewebe angreift und langfristig die kleinsten Herzkranzgefässe umbaut, indem spezielle Vorläuferzellen des Immunsystems aus dem Blut in das Herz gelotst werden.
Fehlaktivierte Entzündungszellen
Etwa jeder Dritte klagt nach einer schweren COVID-19-Erkrankung über Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Herzens. Um die Mechanismen dieser langanhaltenden Herzmuskelschädigung aufzuklären, haben die Forscher
- Herzgewebe von Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen untersucht
- und diese mit Gewebeproben nach schweren Grippe-Infektionen durch das Influenzavirus
- sowie nach schweren, durch andere Viren verursachte Herzmuskelentzündungen verglichen.
Obwohl bei der COVID‑19‑Herzschädigung – anders als bei den Vergleichsproben – äusserlich keine klassische Entzündung des Herzgewebes festzustellen war, fand das Forschungsteam jedoch eine grosse Ansammlung von fehlaktivierten Entzündungszellen: Makrophagen und ihre Vorläuferzellen, die Monozyten. «Diese Monozyten haben eine herausragende Bedeutung als Vorläuferzellen der Blutgefässneubildung und können in kürzester Zeit das Blutgefässsystem umbauen», erklärt Christopher Werlein, Erstautor der Studie.
COVID-19 greift alle Gefässe im Körper an
Ausgelöst durch die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sammeln sich in den nur wenige Millimeter dicken Herzgefässen kleinste Verstopfungen an. «Diese Ultrathromben verändern den Blutstrom erheblich und damit auch die Sauerstoffversorgung», betont PD Dr. Kühnel. Das ruft die Monozyten auf den Plan, die sich an die inneren Gefässwände heften und dort neue Verzweigungen ausbilden.
Diese intussuszeptive Angiogenese hat das Team bereits zuvor in anderen Organen von COVID‑19‑Betroffenen als charakteristisches Schädigungsmuster beschrieben. Was möglicherweise als kurzfristige Rettungsreaktion des Körpers gedacht ist, um den verminderten Blutfluss und die Unterversorgung mit Sauerstoff auszugleichen, könnte zur chronischen Schädigung des Herzens und zu Long-COVID führen, vermuten die Forscher. «Auf jeden Fall bestätigen die neuesten Untersuchungen unsere frühere Annahme, dass SARS-CoV-2 systemisch alle Gefässe im Körper angreift und diese langfristig umbaut», betont Professor Jonigk.PS