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Zeigen sich sozioökonomische Unterschiede in der Epigenetik von Kindern?

Um herauszufinden, wie sich das Umfeld in der Kindheit auf die Gesundheit und das Wohlbefinden im Erwachsenenalter auswirkt, untersuchten Forscher die epigenetischen Profile von Kindern mit Hilfe von Algorithmen, die bei Erwachsenen entwickelt wurden.

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Kinder, die in sozial benachteiligten Familien aufwachsen, sind in der Regel mit ungünstigeren Umweltbedingungen konfrontiert, wie zum Beispiel einem eingeschränkten Zugang zu hochwertiger Ernährung, Grünflächen und Gesundheitsversorgung. Dementsprechend haben diese Kinder ein erhöhtes Risiko für einen hohen Body-Mass-Index (BMI), Fettleibigkeit und verschiedene andere Krankheiten im Erwachsenenalter.

Der lange Arm der Kindheit
Der «lange Arm der Kindheit» ist ein Phänomen, das die anhaltenden Auswirkungen des Umfelds und der Entwicklung in der Kindheit auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Erwachsenen beschreibt.
«Die Theorie beschreibt, dass unsere Kindheit zu einem gewissem Masse prägend für das ganze Leben ist», sagt die Autorin Laurel Raffington, die die Studie zusammen mit Forschern der University of Texas in Austin, der University of Michigan und der Princeton University durchgeführt hat. «Es ist jedoch schwierig, den langen Arm der Kindheit zu untersuchen, da es Jahrzehnte dauern kann, bis sich die Auswirkungen des kindlichen Umfelds auf die Gesundheit und das Wohlbefinden im Erwachsenenalter bemerkbar machen», so Raffington weiter.

Epigenetische Profile mit Hilfe von Algorithmen
Raffington und ihre Kollegen verwendeten Algorithmen, um epigenetische Unterschiede im gesamten Genom zu epigenetischen Profilscores zusammenzufassen. Epigenetische Profile, die Gene ein- oder ausschalten, können sich im Laufe der Entwicklung von Kindern verändern und durch nachteilige Umwelteinflüsse negativ beeinflusst werden. Dieser epigenetische Profilscore wurde ursprünglich für Erwachsene entwickelt, um deren Body-Mass-Index (BMI) vorherzusagen; daher wird er als epigenetischer BMI bezeichnet. Es wurde festgestellt, dass der epigenetische BMI die Gesundheit und Sterblichkeit von Erwachsenen über den tatsächlichen BMI hinaus vorhersagt.

In der vorliegenden Studie verwendeten die Forscher denselben Algorithmus zur Berechnung des epigenetischen BMI bei Kindern, darunter von mehr als 3200 Acht- bis 18-Jährigen aus zwei US-Studien. Im Gegensatz zu Studien bei Erwachsenen, bei denen üblicherweise Blut abgenommen wird, berechneten sie den epigenetischen BMI anhand des Speichels von Kindern, der weniger invasiv und leichter zu erfassen ist. Da sich epigenetische Veränderungen je nach Zelltyp unterscheiden, war zunächst nicht klar, ob der epigenetische BMI ein gültiges Mass sein würde, wenn er aus dem Speichel anstatt Blut berechnet wird.

Epigenetischer BMI korreliert mit tatsächlichem BMI
Die Forscher fanden heraus, dass der epigenetische BMI der Kinder stark mit ihrem tatsächlichen BMI verbunden war. Beispielsweise sagte der epigenetische-BMI, der im Alter von neun Jahren gemessen wurde, den BMI voraus, der bei einer erneuten Messung im Alter von 15 Jahren ermittelt wurde. Der epigenetische BMI stand sogar mit Unterschieden im BMI zwischen eineiigen Zwillingen in Zusammenhang. «Längsschnitt- und Zwillingsanalysen sind sehr strikte Tests für die Sensitivität von Biomarkern, und wir waren beeindruckt, wie gut der epigenetische-BMI funktioniert. Der epigenetische-BMI ist ein valides Mass für den BMI, selbst wenn er im Speichel von Kindern gemessen wird», sagt Daniel A. Notterman, Professor für Molekularbiologie an der Princeton University.

Möglicherweise molekulare Zusammenhänge
Die Forscher fanden auch heraus, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen einen höheren epigenetischen BMI aufwiesen, selbst wenn der tatsächliche BMI, die pubertäre Entwicklung und die Tabakexposition berücksichtigt wurde. Da die epigenetischen Messwerte anhand von Algorithmen berechnet wurden, die bei Erwachsenen entwickelt wurden, deutet dies auf einen molekularen Zusammenhang zwischen dem kindlichen Umfeld und der Gesundheit im Erwachsenenalter hin. Der sozioökonomische Status bei der Geburt steht am stärksten mit dem epigenetischen-BMI in Verbindung, der im Jugendalter relativ stabil bleibt. Dies könnte darauf hindeuten, dass sehr frühe Umweltunterschiede, unter anderem zusammenhängend mit sozialer Ungleichheit, sowie mit (pränatalen) Unterschieden zwischen eineiigen Zwillingen, einen entscheidenden Einfluss auf die lebenslangen epigenetischen Profile der Gesundheit haben.

Schnellere biologische Alterung, schlechtere kognitive Gesundheit
Unter Anwendung eines ähnlichen Verfahrens haben kürzlich veröffentlichte Studien von Raffington und Kollegen ergeben, dass Kinder, die in sozial benachteiligten Familien aufwachsen, tendenziell epigenetische Profile aufweisen, die mit einer schnelleren biologischen Alterung und einer schlechteren kognitiven Gesundheit im Erwachsenenalter in Verbindung stehen (vgl. Raffington et. al, Psychological Science, 2023). Eine weitere Studie von Raffington und Kollegen (vgl. Raffington et. al, Clinical Epigenetics, 2023) deutet darauf hin, dass diese Ergebnisse vermutlich auf Deutschland übertragbar sind. Allerdings sind die Möglichkeiten einer Verallgemeinerung auf andere Länder und Kontexte noch nicht vollends bekannt.PS

  • Zur Originalpublikation
Raffington L, Schneper Let al.: Salivary epigenetic measures of body mass index and social determinants of health across childhood and adolescence. JAMA Pediatrics. 2023. Advance online publication.

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