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Bis 2033 braucht die Schweiz über 2300 neue Allgemeininternisten

In den nächsten zehn Jahren verschwinden 44 Prozent der Arbeitskräfte in der Allgemeinen Inneren Medizin. Dies zur Hauptsache aufgrund von Pensionierungen und der Reduktion von Arbeitspensen. Das zeigt eine neue Workforce-Studie der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM). Um die drohende Versorgungslücke zu schliessen, ist die Politik aufgefordert, den politischen Rahmen zu schaffen, der attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen ermöglicht und den künftigen Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen deckt.

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Die Allgemeine Innere Medizin (AIM) ist ein entscheidendes Element im schweizerischen Gesundheitssystem. Ihr kommt unter anderem die zentrale koordinative Aufgabe zu, Spezialisten so aufeinander abzustimmen, dass sie sich ergänzen, statt widersprechen. Die Generalisten unter den Ärzten sorgen dafür, dass die linke Hand im Gesundheitswesen weiss, was die rechte Hand macht.

Um die Qualität für Patienten zu erhalten oder zu verbessern, ist es wichtig, abschätzen zu können, wie viele Menschen in diesem Bereich tätig sind – und künftig tätig sein werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung für politische Entscheidungen.

Um die Zahl der aktuellen und künftigen Allgemeininternisten in Hausarztpraxen und Krankenhäusern zu analysieren, hat die Nachwuchsförderungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) eine Umfrage unter ihren Mitgliedern lanciert. Die entsprechende Workforce-Studie liegt inzwischen vor. Die wissenschaftliche Leitung oblag Prof. Sven Streit, dem Präsidenten der SGAIM-Nachwuchsförderungskommission. Er ist ausserordentlicher Professor für Grundversorgung Medizin an der Universität Bern und Mitglied des Management Boards des Berner Instituts für Hausarztmedizin (BIHAM).

Pro Jahr verschwinden 232 Vollzeitstellen
Die Befragten wurden nach ihrer aktuellen durchschnittlichen Arbeitsbelastung im Jahr 2023 und nach ihrem geplanten Arbeitspensum im Jahr 2033 gefragt. Basierend darauf berechnete Sven Streit die Vollzeitäquivalente (FTE) der aktuellen Fachärzten für AIM und extrapolierte die FTE auf alle aktiven SGAIM-Mitglieder.

Von den 6232 aktiven SGAIM-Mitgliedern nahmen 2030 (33 Prozent) an der Umfrage teil. 46 Prozent der Teilnehmer waren weiblich, die grösste Altersgruppe bildeten die 56- bis 65-Jährigen (25 Prozent). 19 Prozent befanden sich noch in der Weiterbildung zum Facharzt. Die durchschnittliche Arbeitsbelastung im Jahr 2023 betrug 78 Prozent für Frauen und 87 Prozent für Männer. Damit betrug die Zahl der extrapolierten FTE aller SGAIM-Mitglieder 5237.

Bis 2033 werden davon 1935 FTE (37 Prozent) in den Ruhestand gehen, 502 FTE (10 Prozent) wollen ihre Arbeitsbelastung reduzieren und 116 FTE (2 Prozent) ihr Arbeitspensum erhöhen. 2800 FTE (53 Prozent) werden mit demselben Pensum wie 2023 im Beruf bleiben.

Das Fazit: Um die gleiche Arbeitskräftezahl wie 2023 zu erhalten, werden bis in zehn Jahren 2321 neue FTE benötigt – das sind 44 Prozent aller Vollzeitstellen. Um die Lücke von jährlich 232 FTE neuen Fachärzten in der AIM zu schliessen, hat Sven Streit verschiedene Szenarien unter der Annahme von Interesse, Arbeitsbelastung, Migration und Aussteigenden modelliert.

Bevölkerung wächst um eine weitere Million
Die Modelle zeigen, dass es unter idealen Bedingungen zwar möglich ist, die Lücke knapp zu schliessen. Wenn beispielsweise 30 Prozent der Studenten sich für die AIM entscheiden und künftig im Schnitt 70 Prozent arbeiten, entstehen 252 FTE pro Jahr, bei einem durchschnittlichen 80-Prozent Pensum sind es jährlich 288 FTE. Entscheiden sich aber nur 20 Prozent der Studenten für die AIM, resultieren bei einem 80-Prozent-Pensum noch 192 FTE. Zudem hängt diese Zahl davon ab, wie viele Fachärzte in die AIM einwandern und wie viele ihren angestammten Beruf vorzeitig verlassen.

Bei diesen Modellrechnungen gilt es, einen wichtigen Faktor zu berücksichtigen: Das Bundesamt für Statistik schätzt, dass die Schweiz bis 2033 bis zu einer Million mehr Einwohner zählt.

«Wir sind bereits heute mit einem Mangel an Fachkräften konfrontiert. Dieser wird sich in den nächsten zehn Jahren deutlich zuspitzen», sagt Sven Streit. «Damit diese Lücke geschlossen und unsere Patienten koordiniert, patientenzentriert und von hoher Qualität ambulant und stationär behandelt werden können, brauchen wir starke Massnahmen. Wir können uns nicht zurücklehnen und glauben, dass wir allein aus dem Ausland unseren Bedarf decken können.»

Aus Sicht der SGAIM braucht es Massnahmen auf mehreren Ebenen, um eine drohende Versorgungslücke zu verhindern.
  • Die Schweiz muss erstens die Universitäten darauf ausrichten, neben Spitzenmedizin die Grundversorgung zu lehren. Entscheidend ist, die Zahl der Studienplätze in der Humanmedizin zu erhöhen – auch wenn sie in den letzten Jahren bereits ausgebaut wurde. Diese Massnahme ist auch die richtige gegen den Mangel an Kinderärzten und Psychiatern.
  • Um die in der Bundesverfassung verankerte medizinische Grundversorgung von hoher Qualität zu gewährleisten, braucht es zweitens auf politischer Ebene einen Masterplan von Bund und Kantonen. Zentral ist ein fairer, zeitgemässer Arzttarif sowie der Stopp von sinnlosen Zulassungsbeschränkungen für Fachärzte AIM, wie dies zurzeit im Kanton Bern vorgesehen ist.
  • Und drittens: Um die Attraktivität der AIM zu steigern, setzt sich die SGAIM mit ihren Partnern dafür ein, dass der Nachwuchs den Beruf weiterhin als sehr interessant und vielfältig ansieht. Künftige Fachärzte für AIM brauchen aber neben genügend Studien- und Weiterbildungsplätzen auch ein Arbeitsumfeld, in dem sie sich ideal auf ihre bevorstehende Tätigkeit als Generalisten im Spital oder in der Praxis vorbereiten können.PS

Zur Studie

Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM), Medienmitteilung vom 22.05.2024

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