Die Ergebnisse einer unter Tübinger Leitung durchgeführten Studie geben Anlass zur Hoffnung, dass ein neu entwickeltes Medikament eine neue Ära in der onkologischen Leberchirurgie und in der Lebertransplantation einläuten könnte. Der Wirkstoff könnte auch das Potenzial haben, die Behandlung akuter und chronischer Lebererkrankungen deutlich zu verbessern.
Wirkstoffkandidat HRX-215 ...
Der Wirkstoffkandidat HRX-215 ist ein sogenannter MKK4-Inhibitor, der das in Leberzellen vorkommende Protein MKK4 hemmt und die Regeneration von Leberzellen steigert. Die präklinische sowie die Phase-I-Studie wurden ermöglicht durch eine von Prof. Dr. Lars Zender, Ärztlicher Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Tübingen, geleiteten Kooperation zwischen Tübinger Wissenschaftlern, dem Tübinger Start-Up HepaRegeniX und Forschern der Mayo Klinik (USA).
... ermöglicht erweiterte Leberteilentfernung
So konnten präklinische Studien in Maus- und Schweinemodellen zeigen, dass die durch den Inhibitor HRX-215 gesteigerte Leberregeneration bisher nicht mögliche Leberoperationen erlaubt. Bislang kann bei fortgeschrittenen Lebertumoren nicht das gesamte betroffene Gewebe operativ entfernt werden, da es sonst in der restlichen Leber zu einem Leberversagen kommt. Die durch HRX-215 ermöglichte erweiterte Leberteilentfernung könnte dazu führen, dass auch Lebertumore in fortgeschrittenem Stadium vollständig entfernt werden könnten. Zudem könnte der Wirkstoff in der Lage sein, mehr Menschen mit einer lebensrettenden Lebertransplantation zu versorgen. Eine Phase-I-Studie mit 48 gesunden Probanden zeigte eine ausgezeichnete Verträglichkeit des Medikamentes.
Klinische Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung
Da es bislang keine Medikamente gab, welche die Regeneration einer geschädigten Leber steigern konnten, sind die Ergebnisse mit dem neuen Wirkstoff HRX-215 ein Meilenstein: «Die positiven Ergebnisse in Sachen Verträglichkeit bestätigen uns in unserem Vorhaben, in Zukunft ein Medikament anbieten zu können, welches das Potenzial hat, die Behandlung von akuten Lebererkrankungen zu revolutionieren», betont Dr. Wolfgang Albrecht, Geschäftsführer des Tübinger Start-Up Unternehmens HepaRegeniX. Die aktuellen Ergebnisse und die Ausgründung von HepaRegeniX wurden massgeblich durch Prof. Zenders wegweisende Entdeckung im Jahr 2013 ermöglicht. «Durch die Hemmung der Kinase MKK4 kann die Selbstheilungsfunktion einer geschädigten Leber angestossen werden», bringt Erstautor Stefan Zwirner die Erkenntnis auf den Punkt.
Mögliche Lösung für Organspende-Mangel?
«HRX-215 wäre nicht nur im Einsatz bei der chirurgischen Entfernung von Lebertumoren eine dringend benötigte Behandlungsoption, sondern würde auch dazu beitragen können, das grosse Problem des Organmangels im Bereich der Lebertransplantation zu überwinden», zeigt Prof. Zender die Anwendungsmöglichkeiten auf. Lebendtransplantationen vom kleineren linken Teil der Leber eines gesunden Spenders wären eine Lösung, da die Entnahme für gesunde Spender nur ein geringes gesundheitliches Risiko birgt. Dieser Teil der Leber ist jedoch oftmals zu klein, um die Funktion der beim Empfänger entfernten Leber zu übernehmen. «Aufgrund der durch HRX-215 vermittelten schnellen Verstärkung der Leberregeneration gehen wir davon aus, dass die HRX-215-Behandlung eine sichere Transplantation kleiner linker Leberlappen in Erwachsenen ermöglichen würde», führt Prof. Zender weiter aus. Dies müssen jedoch weitere klinische Studien zeigen.PS