Das Multiple Myelom ist nicht heilbar. Allerdings hat die medizinische Behandlung in den vergangenen Jahren gute Fortschritte gemacht, so dass die Überlebensrate von durchschnittlich drei auf inzwischen zehn Jahre gestiegen ist. «Während lange Zeit die Chemotherapie das Mittel der Wahl war, sind heute Antikörpertherapien und immunregulierende Medikamente wichtiger geworden», sagt Heiko Bruns vom Lehrstuhl für Hämatologie und Internistische Onkologie der FAU und Arbeitsgruppenleiter an der Medizinischen Klinik 5 des Uniklinikums Erlangen.
Hohe Konzentration an Beta2-Mikroglobulin in Patientenproben
Bei seiner Forschung nimmt Heiko Bruns die molekulare Ebene der Tumoren unter die Lupe – so will er herausfinden, welche Zellen und Botenstoffe an der Entstehung und Begünstigung von Krebs beteiligt sind. «Wir haben Biopsien des Knochenmarks von Erkrankten nach der Erstdiagnose mit denen gesunder Menschen verglichen», erklärt der Biologe. Der entscheidende Hinweis kam aus der Abteilung für Biowissenschaften der Universität Mailand, mit der die Erlanger Immunologen eng zusammenarbeiten: Das Forschungsteam um Prof. Dr. Stefano Ricagno hatte eine hohe Konzentration des Proteins Beta2-Mikroglobulin in den Proben der Erkrankten festgestellt. Heiko Bruns: «Uns war klar, dass das Protein nicht nur ein diagnostischer Marker ist, sondern selbst entzündungsfördernd wirkt. Den genauen Mechanismus kannten wir jedoch nicht.»
Tiefergehende Analysen an der FAU konnten diesen Mechanismus entschlüsseln:
- Sie zeigten, dass Beta2-Mikroglobulin nicht direkt, sondern über Umwege an der Förderung des Multiplen Myeloms beteiligt ist.
- Heiko Bruns: «Das Protein wird von Makrophagen aufgenommen, die als Fresszellen normalerweise schädliche Bakterien und Viren und auch Krebszellen eliminieren.
- Die hohe Konzentration von Beta2-Mikroglobulin allerdings bewirkt, dass sich die Makrophagen daran regelrecht überfressen.»
- In diesem Zustand wirken die Makrophagen nicht heilend, sondern entzündungsfördernd und Begünstigen das Krebswachstum.
Diese Ergebnisse, die Heiko Bruns als korrespondierender Autor gemeinsam mit Forschern aus Erlangen, Homburg, Bonn, Freiburg und Mailand veröffentlicht hat, könnten zu völlig neuen Therapien führen: «Eine Möglichkeit bestünde darin, das Beta2-Mikroglobulin zu blockieren, damit sich die Makrophagen erst gar nicht daran überfressen können», erklärt Heiko Bruns. «Ein anderer Ansatz wäre, das Inflammasom NLRP3 – das ist der entzündungsauslösende Proteinkomplex in den gestressten Makrophagen – mit geeigneten Substanzen zu unterdrücken.» Beide Strategien werden derzeit untersucht, die Forscher erhoffen sich davon eine weitere Linderung der Beschwerden und Verlängerung der Lebenszeit der Betroffenen.PS